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Gruppenphasen

Theoretisches Modell zu den Gruppenphasen

Die Prozesse und Dynamiken innerhalb von Gruppen werden durch verschiedene Theorien beschrieben. Wenn man solche Theorien betrachtet, sollte man immer im Blick behalten, dass jede Gruppe anders ist, denn jede Gruppe besteht aus einzigartigen Individuen und ist mit unterschiedlichen Situationen konfrontiert. Trotzdem können solche Theorien helfen, die Prozesse innerhalb einer Gruppe zu verstehen und diese durch entsprechendes Leitungshandeln zu unterstützen. Eine solche Theorie bilden die Gruppenphasen, welche jede Gruppe in unterschiedlicher Ausprägung durchläuft.

Die Orientierungsphase

Immer, wenn sich eine Gruppe neu bildet oder sich ihre Zusammensetzung ändert, befindet sich die Gruppe in der Orientierungsphase. In der Roverstufe passiert dies meist beim Stufenwechsel von der Pfadfinder- und die Roverstufe. Aber auch, wenn einzelne Personen neu in die Runde kommen, beginnt wieder die Orientierungsphase. Dies kann der Fall sein, wenn zum Beispiel Freund*innen mit zur Gruppenstunde gebracht und so neuer Teil der Runde werden. Wie lang und ausgeprägt diese Phase ist, hängt hauptsächlich davon ab, wie gut die Personen sich bereits vorher kannten.

Allgemein ist das Gruppenleben während dieser Phase von Unsicherheiten geprägt. Jede*r versucht sich erst einmal zu orientieren, die anderen besser einzuschätzen und kennenzulernen und den eigenen Platz in der neuen Gruppenkonstellation zu finden.

Aufgabe und Rolle des Leitungsteams

In dieser Phase ist das Leitungsteam stark gefordert, auch in der Roverstufe. Es gilt, auf vielfältige Weise, Gelegenheiten zum Kennenlernen zu schaffen, den Kontakt untereinander zu fördern und Sicherheit zu vermitteln. Der Klassiker hier sind Namens- und Kennlernspiele. Das Leitungsteam sollte die Unsicherheiten, Erwartungen und Wünsche der Einzelnen ernstnehmen und aktiv Hilfe und Unterstützung anbieten. Vor allem sollte es auch zu Beginn eine klare Struktur vorgeben, wie etwa eine feste Ankommensrunde. Wichtig zu beachten ist, dass man als Leiter*in auch die neue Gruppe bzw. die neuen Gruppenmitglieder kennenlernen muss. Hinzu kommt, dass man für die (neuen) Mitglieder der Roverrunde (vermutlich) ebenfalls eine unbekannte Person ist, von der die Neuen nicht wissen, wie sie tickt und was sie von ihr erwarten können. Es ist zwar wichtig, dass man als Leiter*in hier Orientierung gibt, mit der Zeit ist es aber wichtig sich immer zurück zu nehmen und der Gruppe mehr und mehr Verantwortung zu übergeben.

Hinweis: Siehe auch Stufenwechsel und Roverversprechen

Die Positionierungsphase

(manchmal auch Machtkampfphase)

Nachdem sich die Gruppe etwas besser kennt, beginnt die Phase, in der die Rover*innen ihre Rollen klären. Die Zurückhaltung aus der Orientierungsphase weicht dem Bedürfnis sich der Gruppe mitzuteilen. Das geschieht innerhalb der Roverrunde, aber auch gegenüber den Mitgliedern ihres Leitungsteam. Solidarisierung mit gleichgesinnten, Abgrenzung von anderen, Grüppchenbildung und manchmal auch der Versuch, Einzelne auszugrenzen, kennzeichnen diese Phase. Nicht nur die neuen Mitglieder der Roverrunde müssen ihre Position und Rolle in der Gruppe finden, ebenso alte und vielleicht auch festgefahren Rollenzuteilungen können nun durch die neue Zusammensetzung der Gruppe aufgebrochen werden.

Aufgabe und Rolle des Leitungsteams

Es ist nicht Aufgabe des Leitungsteams all das zu verhindern, etwa durch überstarke Betonung der eigenen Autorität. Stattdessen sollte die Gruppe mit geeigneten Methoden durch diesen notwendigen Prozess begleitet werden und gegebenenfalls sind Einzelne gegenüber der Gruppe in Schutz zu nehmen. Dabei ist das Leitungsteam gefordert, nicht nur dafür zu sorgen, dass keine feste Zuschreibung von Rollen auf Einzelne (der Chiller, die Verantwortungsbewusste, …) entstehen. Leiter*innen sollten vielmehr auch die Möglichkeit schaffen, alte und eingefahrene Rollenverteilungen innerhalb der Runde zu hinterfragen und aufzubrechen. Abwechslungsreiche Aktivitäten sind in dieser Phase wichtig. Durch Spiele, bei denen es verschiedene Siegerinnen und Sieger gibt, können Machtkämpfe spielerisch ausgetragen werden. Durch Kooperationsspiele und Herausforderungen, die die Gruppe eigenständig bewältigen muss, kann sich die Runde als Gruppe begreifen und entwickeln. Oder die Gruppe reift in größeren Projekten, in denen die Rover*innen verschiedene Aufgaben übernehmen und auch neue Fähigkeiten ausprobieren können. In der Roverstufe sollte hier vom Leitungsteam nur Impulse und Ideen zu entsprechenden Methoden und Inhalten der Gruppenstunden kommen. Anschließend müssen die Rover*innen die Aufgaben eigenständig lösen und angehen. Der wichtigste Teil ist die abschließende Reflexion, bei der explizit die Aufgaben- und Rollenverteilungen angesprochen werden sollten. Dies ist wieder die Aufgabe des Leitungsteams.

Diese Phase eignet sich zu dem ideal, um gemeinsam mit der Roverrunde auf bestehende Gruppenregeln zu schauen, diese ggf. zu überarbeiten und neue auszuhandeln.

Die Vertrauensphase

Nachdem die Rollen in der Roverrunde erst einmal geklärt sind, ist der Weg frei für größere Nähe und Vertrautheit. Vielleicht gibt sich die Runde ein Gruppennamen und kreiert eigene Aufnäher, T-Shirts oder ein eigenes Banner. Oft verbringen Mitglieder der Roverrunde auch ihre sonstige Freizeit gemeinsam, schmieden Pläne für gemeinsame Wochenenden oder gehen einfach zusammen feiern. Die Gruppe entwickelt ein starkes „WIR“-Gefühl und das Leitungsteam rückt nun in den Hintergrund. Besonders in der Roverstufe kann nun die Runde sehr viel Verantwortung übernehmen. Ideen entstehen oft ohne, dass Impulse des Leitungsteams benötigt werden.

Aufgabe und Rolle des Leitungsteams

Das Leitungsteam ist herausgefordert, sich auf der einen Seite nicht aus der Gruppe hinausdrängen zu lassen, aber sich trotzdem soweit zurückzuhalten, dass die Gruppe ihr Potential möglichst eigenständig entfaltet. Je eigenständiger Projektideen entstehen und umgesetzt werden, desto größer ist die resultierende Erfahrung für die Gruppenmitglieder. Roverleiter*innen haben die Aufgabe des Beobachters und müssen nur eingreifen, wenn der Umgang und die Rollenverteilung zu Ungunsten oder auf Kosten Einzelner gehen. Weiter liegt es am Leitungsteam die Kritikfähigkeit der Gruppe zu fördern, Einzelne zu bestärken und in Vorbildfunktion jedes einzelne Gruppenmitglied als Individuum mit seinen Stärken und Schwächen anzunehmen.

Die Differenzierungsphase

Die Rundenmitglieder kennen sich gut, jede*r hat ihren oder seinen Platz gefunden. Die Gruppe selbst leitet sich mehr oder weniger selbst, durch einzelne Mitglieder und entsprechend deren Fähigkeiten und Möglichkeiten. Gruppen in dieser Phase sind lebendig, kreativ und ehr produktiv Die Mitglieder der Roverrunden können sich gegenseitig für die gemeinsame Sache motivieren und gemeinsam viel auf die Beine stellen. Die Differenzierungsphase wird auch Arbeitsphase genannt. Denn die Mitglieder der Gruppe sind fähig, Konflikte untereinander und mit anderen eigenständig zu lösen und lassen sich durch nichts aufhalten

Aufgabe und Rolle des Leitungsteams

Das Leitungsteam kann nun anregen, den Blick wieder stärker für die Außenwelt zu öffnen und diese aktiv und kreativ mitzugestalten. Die Roverrunde ist jetzt zu großen Leistungen fähig und kann mit anderen Gruppen zusammenarbeiten. Es ist die beste Zeit für Unternehmungen. Konkret können Möglichkeiten für neue herausfordernde Projekte, Aktionen über den eigenen Stammesrand hinaus – bis hin zur internationalen Begegnung, oder aber gesellschaftliches Engagement aufgezeigt werden.

Die Auflösungsphase

Es ist wichtig, sich von Anfang an bewusst zu machen, dass eine Roverrunde, wie jede andere Gruppe auch, irgendwann zu einem Ende kommen wird. In der Roverstufe passiert dies meist dadurch, dass einzelne oder mehrere Mitglieder die Runde verlassen, um Leiter*in zu werden. Manche Verlassen die Gruppe auch so oder sie löst sich vollständig auf. Die ausscheidenden Gruppenmitglieder bewegt dabei die Frage, was sie nun erwartet und ob sie den neuen Anforderungen gewachsen sind. Auch kann es passieren, dass die ausscheidenden Mitglieder noch sehr an ihrer Roverrunde hängen und diese nicht so richtig verlassen wollen oder die Entscheidung zwischen Leiterrunde und Roverrunde aufschieben und versuchen, beides miteinander zu vereinbaren.

Aufgabe des Leitungsteams

Hierbei hat das Leitungsteam im Wesentlichen die Aufgabe, Räume für die Reflexion des Erlebten anzubieten, ohne dabei zu idealisieren. Die Geschichten und Erlebnisse der Roverrunde und der Roverzeit allgemein als Teil des eigenen Lebensweges in Erinnerung zu behalten, ist ein wichtiges Element der Persönlichkeitsbildung. Deshalb ist es wichtig, den Mitgliedern die Möglichkeit zu geben, noch einmal auf Erlebnisse, Erfahrungen, aber auch Enttäuschungen zurückblicken zu können. Um bewusst Abschied zu nehmen, braucht es Raum für Abschiedsrituale, so können die Mitglieder der Roverrunde gut mit der Gruppe abschließen. In der Roverstufe sollte explizit darauf geachtet werden, dass sich die angehenden Leiter*innen bewusst für ihre neue Aufgabe im Stamm und damit gegen einen Verbleib in der Roverstufe entscheiden. Oft ist es rein aus zeitlichen Gründen nicht möglich gleichzeitig voller Teil einer Roverunde zu sein und eine Leitungstätigkeit zu übernehmen. Wer nur noch unregelmäßig dabei ist oder sich nur einige Highlights herauspickt, kann nicht nur die ganze Roverrunde ausbremsen, sondern auch ungewollt Konflikte erzeugen.

Siehe auch:

Quelle

Dieser Text basiert auf: Unterlagen für die Modulausbildung, Einstieg – Schritt 2, Gruppenphasen, Stand 12.04.2017, https://dpsg.de/fileadmin/daten/dokumente/Ausbildung/Modulausbildungsunterlagen_2019/Einstieg_Schritt_2.pdf

Autor

angepasst und überarbeitet von Jonas Limbrock, Christina Koch und Johannes Muselmann

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